Fundstück: Interview mit der BZ

Am 24.08.2014 erschien ein Interview, das ich der Berliner Zeitung gegeben habe. Auf der Seite der BZ habe ich es gefunden und liefere es euch hier zum Lesen:

 

Frau Wimber, Sie sind gerade aus Cornwall zurückgekommen. Haben Sie sich etwas Schönes mitgebracht?

Sie meinen Scherben? Nichts Besonderes eigentlich. Oder doch, ja, eine Flaschenmündung.

Und wie viele Scherben sind es insgesamt?

Nur ein paar Hände voll. Kleinkram. Aber es war auch keine spezielle Sammelreise, sondern ein Familienbesuch. Ich war immer nur mal für eine halbe Stunde am Strand.

Kleinkram? Wie groß sind denn die Meerglasstücke, die man am Strand findet?

Die meisten sind nur fingernagelgroß oder so stark wie ein Daumengelenk. Dass man mal eine fast komplette Flasche findet, ist sehr selten.

Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, Glasscherben zu sammeln?

Ich bin ja an der Ostsee aufgewachsen, da sammelt man als Kind alles Mögliche, auch Glasscherben. Aber mit dem bewussten Sammeln habe ich erst vor drei, vier Jahren begonnen. Damals war ich in den USA, in Massachusetts, und habe in einem Glasmuseum in Sandwich ein Buch von Richard LaMotte über Meerglas entdeckt. Ich war so fasziniert davon, was er alles über das Suchen, Finden und Bestimmen von Meerglas geschrieben hat, dass ich auch damit anfing.

Nehmen Sie alles mit, was Sie finden und sortieren dann zu Hause? Oder wie gehen Sie vor?

Am Anfang habe ich alles gesammelt. Dann wurde das zu viel, und ich habe nur mitgenommen, was eine besonders schöne Farbe oder Form hatte. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass rosa, rote und blaue Scherben selten sind. Dann habe ich gezielt Stücke gesucht, die zu meinen Basteleien passten. Und heute nehme ich vor allem Scherben, deren Herkunft und Alter ich bestimmen kann.

Wie geht denn das?

Wenn man einen Flaschenboden mit einer Prägung oder ein Stück davon findet, ist das relativ leicht. Flaschenmündungen sind auch gut. Oder Stücke mit geprägten Buchstaben. Aber auch die Glasstärke sagt einiges über das Alter aus. Dickwandiges Glas etwa ist eher älter. Manche Scherben haben auch halbmondförmige Auswaschungen, was auf eine bestimmte Zusammensetzung des Glases hinweist und damit auf die Epoche, aus der das Gefäß stammen könnte. Oder die Farbe. Uranglas zum Beispiel wurde im 19. Jahrhundert in größeren Mengen produziert. Es enthält hellgelbe bis hellgrüne Uran-VI-Oxid-Verbindungen, die unter Schwarzlicht fluoreszieren. Rote Scherben wiederum stammen von Lampen und Laternen, rosa meist von Geschirr.

Haben Sie so etwas wie ein Lieblingsrevier?

Am Atlantik findet man sehr runde kieselige Scherben, die sehen fast wie bunte Steine aus. Die mag ich sehr. Und auf Helgoland bin ich gern am Südstrand. Dort habe ich schon sehr interessante Stücke gefunden. An der Ostsee sind die Scherben eher kantig, alles eine Frage des Geschmacks.

Genau genommen sammeln Sie ja Müll. Der aber sollte doch weniger werden mit den Umweltschutzauflagen, die Schiffe erfüllen müssen.

Es geht tatsächlich nicht mehr so viel über Bord. Die vom Wasser geschliffenen Scherben werden deshalb auch die „verschwindenden Juwelen“ des Meeres genannt. Aber das Glas unserer Zeit ist auch sehr viel haltbarer. Es dauert viel länger, bis es so eine gefrostete Oberfläche hat. Deshalb finden Sammler auch viele unreife Scherben. Ich werfe die wieder ins Meer.

Also so, wie es Angler mit zu kleinen Fischen tun.

Ja, nur dass Fische wahrscheinlich schneller groß sind als so eine Scherbe reif, also vom Wasser geschliffen ist und die Patina hat, die sie für Sammler interessant macht.

Viele Ihrer Fundstücke haben Sie für Ihr Buch „Meerglas“ fotografiert. Was machen Sie mit den echten Funden?

Am Anfang habe ich Geschenke für Freunde daraus gebastelt. Inzwischen biete ich Fensterschmuck, Armbänder und sogar Tabletts aus Meeresglas auch auf Märkten und im Internet an.

Waren Sie einmal am Glas-Strand von Kalifornien?

Nein. Aber ich weiß, dass die Bewohner des anliegenden Fort Bragg vor 100 Jahren begannen, ihren Müll einfach ins Meer zu schmeißen, bis es verboten wurde. Das Küstengebiet wurde geschlossen, die Natur regenerierte sich. Das Meerwasser reinigte den Strand und schliff das angestaute Glas. Auf Fotos sieht das großartig aus. Es ist verboten, Scherben von dort mitzunehmen, ansehen will ich mir das aber auf jeden Fall. Als Sammler muss man das gesehen haben. In Italien soll es bei Venedig ebenfalls tolle Glasstrände geben.

Das Gespräch führte Ina Pachmann

– Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/3218228 ©2018

–  Foto: dpa

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